Die Reisemedizin hat sich ab den 1980-er Jahren zu einem eigenständigen Fachgebiet entwickelt. Wesentliche Triebkraft war dabei die pharmazeutische Industrie, die sich der Tourist:innen aus nördlichen Ländern annahm, welche die Tropen bereisten. Doch wieso sollte reisemedizinische Versorgung wohlhabenden Reisenden vorbehalten sein? Was ist mit den Millionen von Menschen, die aufgrund von Gewalt, Naturkatastrophen und äusserster Armut aus ihrer Heimat fliehen müssen und dabei grösseren gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sind als Tourist:innen?
Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) leistet seit Jahrzehnten punktuelle medizinische Nothilfe für Menschen auf der Flucht. Jedoch hat die Einrichtung von ständigen medizinischen Notdiensten entlang wichtiger Migrationsrouten bisher nur wenig Aufmerksamkeit erhalten. Zur Entwicklung eines umfassenderen Versorgungsansatzes für Flüchtende hat die Organisation in ihren Projekten in Griechenland versuchsweise einen ständigen reisemedizinischen Dienst eingerichtet. Ein solcher Ansatz birgt aber auch zahlreiche ethische Herausforderungen und moralische Dilemmas in sich.